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Kinderhochschule Medizin 2019 – Teil 1

Kinderhochschule Medizin 2019Die Intensivstation in der Klinik: Viele Ähnlichkeiten mit einem Raumschiff

Wie immer, wenn die Veranstalter der Kinderhochschule Medizin die Türen zu ihren Vorlesungen öffnen, wetteiferte auch dieses Jahr im Ärztehaus Mosbach ein Knäuel von Mädchen und Jungs um die besten Plätze. Und wie immer konnten die jungen Teilnehmer/innen auch bei der 8. Ausgabe am 25. und 26. Juli jeweils zwei spannende und altersgerecht vorgetragene Referate verfolgen.

Aufgrund der ungewöhnlichen Sommerferienregelung fanden die Vorlesungen in Mosbach dieses Jahr nicht an den ersten beiden Ferientagen, sondern an den Nachmittagen der letzten beiden Schultage statt. Deshalb war die Teilnehmerzahl geringer als sonst, was der Stimmung aber keinen Abbruch tat. Die über 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer ließen die „Begrüßungsrakete“ genauso klangvoll aufsteigen, wie dies ansonsten doppelt so viele Kinder tun: Volles Rohr Händeklatschen, auf dem Boden trampeln und sich die Kehle aus dem Hals schreien - so ging es ab in den Weltraum und gleichzeitig in die Welt der Intensivmedizin.

Besser hätte der Einstieg von Priv.-Doz. Dr. Harald Genzwürker nicht gewählt werden können. Denn als erster Referent zeigte er, dass die Internationale Raumstation ISS und eine Intensivstation im Krankenhaus viele Ähnlichkeiten haben. Es gelang, ein schwieriges Thema so zu präsentieren, dass bei seinem jungen Publikum keinerlei Ängste aufkamen. Dazu der Intensivmediziner und dreifache Vater: „Intensivmedizin rettet Tag für Tag überall auf der Welt Leben und wird trotzdem oft als ‚Gerätemedizin’ verunglimpft. Natürlich befinden sich Patienten auf den Intensivstationen zumeist in akuter Lebensgefahr. Das darf aber kein Grund dafür sein, vor diesem Bereich ängstlich die Augen zu verschließen. Mit dem Vortrag wollten wir das Thema ‚Intensivmedizin’ in die Welt der Heranwachsenden einbeziehen. Im wirklichen Leben dürfen Kinder nur in absoluten Ausnahmen Intensivstationen betreten. Und da vieles, was tabuisiert wird, Raum für angstvolle Phantasien gibt, sollte unsere Veranstaltung dem entgegenwirken. Mit unseren Vorlesungen wollen wir mithelfen, dass die Teilnehmer/innen der Kinderhochschule Medizin ein aufgeklärtes, realitätsnahes und angstfreies Verhältnis zur Medizin entwickeln.“

Während und nach dem ersten diesjährigen Referat im Ärztehaus zeigte sich, dass dieses Anliegen voll und ganz umgesetzt wurde: Die jungen Teilnehmer/innen waren hellwach, staunten und ließen gut gelaunt erkennen, dass sie von nichts an dieser Veranstaltungsthematik irritiert oder verängstigt worden waren.

Die Gemeinsamkeiten von Intensivstation und Raumschiff

Die wichtigste Gemeinsamkeit von einer Raumstation und einer Intensivstation setzte Dr. Genzwürker an den Beginn seines Vortrags: Es geht in beiden Situationen vor allem um die ausreichende Versorgung der Menschen mit Sauerstoff, Flüssigkeit und Nahrung.

Was dann auf Fotos und Texttafeln zu den beiden „Welten“ zu sehen war, gab auf erstaunliche Art und Weise zu erkennen, welch große Ähnlichkeit ein mit Versuchsgeräten hantierender Astronaut in einer Raumstation mit einem Arzt auf einer Intensivstation aufweist, der ebenfalls vor einer Wand aus Geräten und Bildschirmen tätig ist. Der eine 400 Kilometer über der Erde, der andere im Hier und Jetzt einer Intensivstation. Im Weltall wird mit großem technischem Aufwand gemessen und gesteuert, auf einer Intensivstation ebenso. Dort oben zur Gewinnung neuer Erkenntnisse, in der Klinik zum Erhalt menschlichen Lebens und zur Kontrolle lebenserhaltender Funktionen. Dass Astronauten im Weltraum ebenso wie Intensivpatienten „verkabelt“ sind, zeigt, dass beide eine ununterbrochene äußere Versorgung benötigen. Wie sich so etwas in der Praxis der Intensivmedizin darstellt, verdeutlichte Dr. Genzwürker unter anderem mit seinen Ausführungen zum sogenannten Schaukelbett (siehe Foto): Patienten mit starken Beeinträchtigungen der Lungenfunktion werden in dieses Bett gelegt und entsprechend gesichert. Ein maschinell gesteuertes, langsames Schwenken des Bettes sorgt dafür, dass alle Lungenareale des Patienten gleichmäßig belüftet und durchblutet werden. Durch Schläuche ist der Patient mit einem Beatmungsgerät verbunden, weitere Schläuche führen ihm Medikamente, Flüssigkeit und Nahrung zu. Gleichzeitig sorgen Kabel, die von seinem Körper zu einem Überwachungsgerät mit Monitor führen, für eine ständige Kontrolle seiner Herzfunktion, des Blutdrucks und der Sauerstoffsättigung des Blutes. Hochkomplizierte medizinische Hilfsmaßnahmen, wie die maschinelle Beatmung beim „künstlichen Koma“, überbrücken in der Intensivmedizin lebenserhaltende Funktionen des Körpers. Durch die Aufrechterhaltung der sogenannten Vitalfunktionen (Hirntätigkeit, Atmung, Kreislauf) schaffen sich die Ärzte Zeit, damit eingeleitete Maßnahmen wirken können und die Heilung einsetzen kann. In den vielen Fällen, in denen dies gelingt, kann der Patient Schritt für Schritt wieder aus eigener Kraft und ohne maschinelle Hilfe leben.

Auch in der Intensivmedizin gibt es „Astronautennahrung“ 

Bei Intensivpatienten, die notwendige Nahrung nicht auf dem normalen Weg zu sich nehmen können, erfolgt die Nahrungszufuhr per Kanüle über Venen oder mit einem Schlauch direkt in den Magen. Wie der Vortrag und die mitgebrachten Bilder von Chefarzt Dr. Genzwürker auf den ersten Blick zeigten, gibt es auch bei diesem Thema große Ähnlichkeiten von Raumschiff und Intensivstation. Das fängt schon bei der Verpackung an: Die Ähnlichkeit der Lebensmittelbeutel im Weltraum mit den Beuteln der Ernährungslösung für Intensivpatienten ist groß. In beiden Fällen kommt es darauf an, dass die verabreichte Nahrung folgende Bestandteile enthält: Eiweiß, Kohlenhydrate (Zucker), Fette, Vitamine/Spurenelemente und Wasser. Bei der Nahrungsaufnahme hat der Astronaut gegenüber dem Intensivpatienten den Vorteil, seine Essensbeutel selbsttätig aussaugen zu können. Er muss dabei nur aufpassen, dass er nicht „kleckert“, sonst fliegen ihm wegen der Schwerelosigkeit die Brocken im wahrsten Sinne des Wortes um die Ohren.

Wenn die Nahrung ihren Zweck erfüllt hat und der Gang zur Toilette ansteht, kommt in der Klinik auch die alt bewährte Bettpfanne zum Einsatz. Sie ersetzt die Kloschüssel und wird von den Pflegekräften gebracht, die dem Patienten bei der Benutzung behilflich sind. Blasenkatheter sind Vorrichtungen, mit denen bei Intensivpatienten der Urin abgeleitet wird. Dabei führen dünne Schläuche den Urin von der Blase in einen Beutel, der am Bett befestigt ist. Noch komplizierter ist dieser Vorgang im Raumschiff: Um diesbezügliche Folgen der Schwerelosigkeit auszuschalten und im Raumschiff umher fliegende Ausscheidungen zu verhindern, kommen dort technisch aufwendige Toilettenanlagen zum Einsatz, deren Herstellungspreis mit dem Preis für ein Mehrfamilienhaus konkurrieren kann.

Maschinen erfüllen Funktionen, Menschen helfen mit Herz und Verstand

An das Ende seiner Ausführungen in der diesjährigen Kinderhochschule Medizin in Mosbach und Buchen stellte Dr. Genzwürker einen Aspekt, der bei Beschreibungen der Intensivmedizin oft zu kurz kommt: die persönliche Zuwendung des Intensivpflegepersonals, der Therapeuten und Ärzte zu den Patienten. Dem erfahrenen Chefarzt für Intensivmedizin an den Neckar-Odenwald-Kliniken war es wichtig, seinen jungen Studierenden vor Augen zu führen, dass „... bei all dem großen Leistungsvermögen von Apparaten und Maschinen die Bewertung des menschlichen Einsatzes in der Intensivmedizin nicht in den Hintergrund geraten darf. Für uns Ärzte ist es immer wieder ein Kampf um das Leben, bei dem wir unser ganzes Wissen und eine große innere Beteiligung einsetzen. Für Therapeuten und ganz besonders für speziell ausgebildetes Intensivpflegepersonal bedeutet es ebenfalls einen großen persönlichen Einsatz, Patienten in akuter Lebensgefahr, aber auch deren Familien helfend zur Seite zu stehen.“

Alle Fotos: Quelle Neckar-Odenwald-Kliniken gGmbH

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