Buchen | Entlassungsmanagement als wichtige Aufgabe für Ärzte und Pflegeteam – Ein Gespräch in den Neckar-Odenwald-Kliniken
Viele Patienten, die nach ihrer Behandlung aus dem Krankenhaus entlassen werden,brauchen eine häusliche Anschlussbehandlung und Pflege. Dazu ist eine Abstimmung zwischen Krankenhaus und Hausärzten bzw. ambulanten Pflegeeinrichtungen nötig. Seit Oktober 2017 ist in einem Rahmenvertrag zwischen Krankenhäusern, Krankenkassen und Kassenärzten genau geregelt, welche Aufgaben den Kliniken beim so genannten Entlassungsmanagement zukommen. Wie das Entlassungsmanagement in den Neckar-Odenwald-Kliniken organisiert ist, schildern Dr. med. Rüdiger Mahler, Chefarzt an der Klinik für Innere Medizin am Standort Buchen, und Andrea Mader, Teamleiterin Entlassungsmanagement, Pflegeberaterin und zertifizierte Wundexpertin.
Was bedeutet der Begriff „Entlassungsmanagement“ für einen Arzt in der Klinik für Innere Medizin, und was bedeutet er für die Pflege?
Chefarzt Dr. Mahler: „ ... Zunächst bedeutet das eine gesetzliche Verpflichtung, der die Ärzteschaft und die Pflegeüberleitung Folge zu leisten haben, um die Kontinuität von Behandlung und Versorgung der Patienten über die jeweils damit befassten Einrichtungen hinweg herzustellen. Zu den üblichen ärztlichen Aufgaben gehört dabei die sogenannte Entlass-Medikation als Liste der Medikamente, die von den Patienten nach ihrer Krankenhausentlassung weiter eingenommen werden sollen; oder auch der ‚medizinische Entlassbrief‘, der Patienten und weiterbehandelnde Ärzte über die im Krankenhaus vorgenommene Behandlung informiert und Empfehlungen zur Weiterbehandlung ausspricht.“
Andrea Mader: „Das Ziel des Entlassungsmanagement ist die Sicherstellung der weiteren Versorgung des Patienten nach Verlassen des Krankenhauses. Dabei soll hinsichtlich Behandlung und Pflege ein nahtloser Übergang vom Krankennhaus zu der häuslichen Situation hergestellt werden, um Versorgungsbrüche zu vermeiden. Die Aufgaben des Entlassungsmanagements reichen von Information und Beratung bis hin zur kompletten Organisation der Versorgung für die Zeit nach der Krankenhausentlassung. Das Thema wird durch die demografische Entwicklung immer bedeutsamer. Es gibt zunehmend hochaltrige Patienten, die nach einem Krankenhausaufenthalt allein schwer zurecht kommen. Daraus erwächst mehr Beratungs- und Organisationsbedarf. Auch deshalb, weil erwachsene Kinder von hochaltrigen Patienten häufig nicht mehr vor Ort wohnen oder durch Berufstätigkeit gebunden sind. Allerdings ist auch zu erwähnen, dass natürlich nicht alle Patienten bei ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus Hilfe benötigen. Viele werden direkt von den Stationen nach Hause entlassen.“
Was sind mögliche Folgen eines guten und eines schlechten Entlassungsmanagements?
Chefarzt Dr. Mahler: „Im positiven Fall lässt sich die oben schon erwähnte Kontinuität der Behandlung erzielen. Alle mit dem Patienten befassten Ärzte und Pflegepersonen verfügen dann über die gleiche
Information und ziehen bei der Behandlung und Pflege – wie man so sagt – am gleichen Strick. Ein gutes Entlassungsmanagement zeichnet sich darüber hinaus auch durch eine lückenlose Verfügbarkeit von Medikamenten, Hilfsmitteln und ggf. auch persönlicher Betreuung für den Patienten aus. – Ein schlechtes Entlassungsmanagement hingegen führt unter behandelnden Ärzten und Pflegern zu Informationslücken. Die erhöht das Risiko von Versorgungslücken bzw. vom Verlassen abgestimmter Behandlungswege. In der Konsequenz bedeutet dies manchmal auch, dass sich der gesundheitliche Zustand von Patienten so verschlechtert, dass er wieder stationär aufgenommen werden muss. Einem guten Entlassungsmanagement kommt deshalb große Bedeutung zu.“
Wie ist dieses Thema an den Neckar-Odenwald-Kliniken organisiert?
Andrea Mader: “ An den Neckar-Odenwald-Kliniken ist das Entlassungsmanagement seit 1998 ein fester Bestandteil. Wir haben an beiden Standorten gute Teams, die aus Experten der Pflegeberatung und Sozialarbeit bestehen. Organisatorisch bildet die Funktionseinheit der ‚Pflegeüberleitung‘ das Rückgrat des Entlassungsmanagements hinsichtlich der Pflegeberatung. Hier laufen die Fäden aller entsprechenden Aktivitäten zusammen. Zu den wichtigsten Elementen gehören die Vernetzung und Kommunikation mit den nachsorgenden Institutionen, so zum Beispiel mit ambulanten Pflegediensten und Pflegeeinrichtungen, aber auch Hospiz- und Palliativversorgung mit allen Beteiligten. Außerdem haben wir vor einigen Jahren einen ‚Wundüberleitungsbogen‘ entwickelt, der im Sommer 2019 in aktualisierter Form eingeführt wird. Da viele Menschen unter chronischen Wunden leiden, und die Wundbehandlung in jüngerer Zeit wichtige Neuerungen erlebt hat, ist die lückenlose Dokumentation ein wichtiges Element für eine durchgängig gute Wundbehandlung.“
Welches sind die häufigsten Probleme in der Praxis des Entlassungsmanagements, und wo sehen Sie Lösungsansätze?
Chefarzt Dr. Mahler: „ Die bekannten Sparzwänge in Krankenhäusern und die daraus resultierende Personalverknappung führen dazu, dass wir Ärzte die primär ärztlichen Aufgaben unbedingt durchführen müssen und dann nur wenige Kapazitäten für andere Aufgaben bleiben. Dazu kommt noch eine steigende Dokumentationsflut. Hier noch ein Zettel auszufüllen, da noch eine Bestätigung, dort noch ein Gutachten. Bei diesem Pensum wächst das Risiko, dass man Aufgaben wie das Entlassungsmanagement auf den letzten Drücker macht. Lösungsansätze für dieses Problem sehe ich in Bezug auf das Entlassungsmanagement in der gut organisierten und standardisierten Zusammenarbeit von Ärzten und Pflege/Pflegeüberleitung.“
Andrea Mader: „Als Hauptproblem sehe ich eine mitunter praxisferne Gesetzgebung. Für die Finanzierung der Behandlungs- und Pflegekosten gibt es zwei unterschiedliche Leistungsträger: die Krankenversicherung und die Pflegeversicherung. Die unterschiedlichen gesetzlichen Rahmenbedingungen des ambulanten und stationären Sektors erschweren ein abgestimmtes handeln zusätzlich. Durch die verkürzte Verweildauer stehen wir im Krankenhaus zusätzlich unter Druck. Besser wären hier vereinfachte Regularien und eine Verzahnung der entsprechenden Gesetzgebungen. Ebenso wünschenswert ist auch die Abrechnungsmöglichkeit einer Kurzzeitpflege im Krankenhaus, wie dies seit neuestem in Nordrhein-Westfalen der Fall ist.“
Welche Aufgaben und Verantwortlichkeiten kommen beim Übergang vom Krankenhaus in die ambulante Versorgung den Patienten selbst zu?
Chefarzt Dr. Mahler: „Patienten mit internistischen Problemen werden im Laufe ihres Krankenhausaufenthaltes oft medikamentös eingestellt. Nicht selten haben Betroffene dabei über den Tag verteilt mehrere Medikamente parallel einzunehmen. Durch die Versorgung im Krankenhaus entsteht leicht die Haltung, dass da schon jemand ist, der die richtigen Tabletten zum richtigen Zeitpunkt verabreicht. Nicht nur hoch betagte Patienten gewöhnen sich an diese Handreichung und bekommen Probleme mit der Medikamenteneinnahme, wenn sie nicht mehr bedient werden. Dies müssen wir den Patienten während ihres Aufenthaltes bei uns stärker bewusst machen.“
Andrea Mader: „Den vielen geriatrischen Patienten kann man bei der Entlassung kaum etwas zumuten. Da ist die Selbstverantwortung oft sehr eingeschränkt. Das Leben mit gesundheitlichen Einschränkungen wird in unserer Gesellschaft kaum eingeübt. Jeder will gesund sterben, kaum jemand bezieht in seine Lebensplanung ein, dass zur zweiten Lebenshälfte oft auch eingeschränkte Mobilität und nachlassende Kraft dazu gehören. Man kann in jedem Lebensalter durchaus lernen, was man alles braucht, wenn es gesundheitlich nicht mehr so glatt läuft. Wären mehr Menschen mit solchen Fragen vertraut, dann hätte dies einen deutlich positiven Einfluss auf die Situation von Krankenhausentlassungen. So bietet der im Juni 2019 vom Necker-Odenwald-Kreis in Buchen eingerichtete Pflegestützpunkt allen Altersgruppen eine umfangreiche Beratung zu Pflege und Versorgung im ambulanten Bereich.