Buchen & Mosbach | Das vierte und letzte Referat der diesjährigen Kinderhochschule Medizin beschäftigte sich mit dem Knochengerüst des Menschen. Dabei zeigte der Orthopäde und „Knochenspezialist“ Dr. med. Thomas Seeböck-Göbel, wie Knochen aufgebaut sind, wie es zu unterschiedlichen Brüchen kommt, und wie sich solche Brüche wieder heilen lassen.
Zunächst zeigte der Referent mit Hilfe eines lebensgroßen Skeletts, dass große bis kleinste Knochen das menschliche Gerüst bilden. Als größte menschliche Knochen lernten die Veranstaltungsteilnehmer die Oberschenkelknochen kennen, die, je nach Körpergröße des Menschen, über 50 cm lang sein können.
Als kleinste Knochen wurden die Gehörknöchelchen genannt, die im Mittelohr für das Weiterleiten von Schwingungen sorgen, das Gehör unterstützen und eine Größe von nur 0,3 cm nicht überschreiten. Insgesamt lassen sich 206 Knochen zählen, die dem menschlichen Körper Halt geben, Bewegungen – vom Händedruck bis zu Liegestützen oder aufrechtem Gehen – ermöglichen und innere Organe schützen, wie es die Rippenknochen des Brust- korbs tun.
Bei der hohen Leistungskraft der Knochen ist es - so erläuterte Dr. Seeböck-Göbel eigentlich verwunderlich, wie wenig Gewicht sie aufweisen. Deshalb sah man im Ärztehaus Mosbach auch viele staunende Teilnehmergesichter, als erklärt wurde, dass das gesamte Skelett eines Menschen nur etwa 12 Prozent des Körpergewichts ausmache. Bei einem 70 Kilogramm schweren Menschen wiegen die Knochen also nur 8,4 Kilogramm. – Ebenso erstaunt zeigten sich die jungen „Medizinstudenten“, als sie hörten, dass menschliche Knochen härter als Granit seien. Und nicht nur das: Vergleicht man Knochen mit Granit, Beton und Stahl, stellt man fest, dass
Knochen beim Zusammendrücken zwei Mal widerstandsfähiger sind als Granit, bei einer Zugbelastung zwei Mal besser als Beton und hinsichtlich der Stärke fünf Mal stärker als Stahl. Von großer Bedeutung für die Stabilität eines Knochens ist seine Festigkeit, die von der Sättigung mit Mineralien abhängt. Je mehr Mineralien ein Knochen enthält, desto fester und dichter ist er. Knochen mit niedriger Dichte brechen leichter. Das wichtigste Knochenmineral ist Kalzium.
Knochen bestehen aus lebendem Gewebe und können deshalb auch heilen. Die feste und besonders stabile äußere Schicht des Knochens heißt „Kompakta“. Sie trägt wesentlich dazu bei, alltägliche Belastungen des Bewegungsapparats zu meistern. Diese Schicht ist noch einmal von einer dünnen Gewebeschicht überzogen. Sie heißt „Periost“ und sorgt, durchzogen von Blutgefäßen und Nerven, für die Ernährung der Knochen. Der innere Teil der Knochen ist wie ein Schwamm aufgebaut und wird als Spongiosa bezeichnet. In den Zwischenräumen befindet sich in größeren Knochen das Knochenmark. Es dient als Binde- und Stammzellengewebe unter anderem der Bildung von Blutzellen.
Meist erwischt es die Speiche nahe am Handgelenk
Als wahre Experten erwiesen sich die Teilnehmer der diesjährigen Kinderhochschule Medizin bei der Beantwortung folgender Fragen: „In welchen typischen Situationen passieren Knochenbrüche?“ und „Welche Knochen sind dabei besonders oft betroffen?“ Einige Kinder hatten einen Knochenbruch schon am eigenen Leib erlebt, andere wussten von Freunden oder Geschwistern zu erzählen, die „... schon mal mit einem Gips am Arm herumgelaufen sind.“ Statistisch bilden Handgelenkbrüche die am häufigsten vorkommende Form von Knochenbrüchen. Wobei man unter dem Begriff des „Handgelenkbruchs“ einen handgelenknahen Bruch der Speiche (einer der der beiden Unterarmknochen) versteht. Diese Form der Fraktur macht circa 25 Prozent aller Knochenbrüche bei Erwachsenen aus. Den Grund für diese Häufigkeit kennt Oberarzt Dr. Seeböck-Göbel: „Beim Sturz vom Fahrrad, beim Sturz auf der Schlittschuhbahn oder beim Ausrutschen auf einer Bananenschale sieht man ganz häufig ein ähnliches Verhalten. Die Betroffenen versuchen ihren Sturz zumeist mit der flachen Hand abzufangen. Handgelenk und Unterarm können die plötzlich einwirkenden Kräfte dann nicht aufnehmen, der Knochen bricht. Bei älteren Menschen reicht dazu schon ein harmloses Hinfallen auf den Gehweg, während bei jüngeren Menschen für eine Fraktur oft stärkere Kräfte wirken, so im Sport, beim berühmten Sturz vom Kirschenbaum oder beim Sturz vom Fahrrad.“
Zu den häufigsten Arten an Knochenbrüchen gehört auch der Schlüsselbeinbruch. Er passiert oft Fahrradfahrern und Sportlern, die ungebremst und direkt auf die Schulter stürzen. Rippenbrüche sind oft die Folge von Autounfällen oder von Unfällen bei Kontaktsportarten, wie zum Beispiel Eishockey oder Boxen. Sie sind meist schmerzhaft, weil sie sich im Brustraum nicht mit Gips oder einer Schiene ruhigstellen lassen. Bei jedem Atemzug bewegt sich der Brustkorb - und somit natürlich auch die gebrochene Rippe.
Eine der neueren Gefahrenquellen für Knochenbrüche benannte der Referent mit den Trampolinen. Dieser Freizeitspaß steht inzwischen in vielen Familiengärten und erweist sich nach Erfahrung der Kliniken in Buchen und Mosbach „mit großer Regelmäßigkeit in jedem Frühjahr als Ursache kindlicher Knochenbrüche. Vor allem dann, wenn kleinere und größere Geschwister gleichzeitig auf den Trampolinen hüpfen und die kleineren Kinder wegen ihres geringeren Gewichtes den Federungseffekt viel weniger erleben.“
In der Folge sahen die Veranstaltungsteilnehmer auf einem Chart, wie sich unterschiedliche Arten an Knochenbrüchen darstellen: die Querfraktur wie ein Streichholz, das man in der Mitte relativ glatt durchbricht; die Schrägfraktur mit einer diagonal verlaufenden Bruchlinie; die Spiralfraktur als komplizierter Knochenbruch, der in der Form einer spiralförmigen Apfelschale verläuft; zuletzt die sogenannte Trümmerfraktur, bei der es keine glatten Bruchränder gibt, sondern mehrere chaotisch abgetrennte Knochenstücke.
Gips, Nägel und Drähte - Wie aus dem Handwerkskasten
Bei der Vorstellung der Behandlungsmöglichkeiten von Knochenbrüchen stellte Dr. Seeböck- Göbel zunächst den „Klassiker“ vor: die Ruhigstellung des Knochens in Gips. Diese Behandlungsvariante wird beispielsweise beim Bruch der Speiche am Unterarm gewählt. Der Patient muss dann in der Regel für einige Woche eine Gipsmanschette tragen, bis der Bruch durch Ruhigstellung wieder vollständig ausgeheilt ist. Bei anderen Frakturen, wie zum Beispiel Schulter- oder Wirbelsäulenverletzungen können Ruhigstellungen ebenfalls mit Gips erreicht werden, allerdings bedient sich die Medizin dabei unterschiedlichster Techniken, die bis zur Herstellung von Gipsbetten und speziellen Korsetten reichen. Bei komplizierteren Brüchen müssen auch andere Hilfsmittel dafür sorgen, dass betroffene Knochen wieder richtig zusammenwachsen. Dazu zählen elastische Nägel ebenso wie Drähte und Metallplatten, mit denen Knochen im Rahmen von Operationen richtig positioniert und fixiert werden.
Am Besten, man lässt es gar nicht erst soweit kommen
Auf die Frage nach Möglichkeiten der Vermeidung von Knochenbrüchen hieß die erste Antwort schlicht und einfach „Handy weg im Straßenverkehr! Vor allem auf dem Fahrrad ist das Ding ein Risiko!“ Was damit gemeint war, brauchte nicht lang erklärt zu werden: „Eingeübtes Verhalten, wie zum Beispiel das Fahrradfahren, braucht nur scheinbar wenig Aufmerksamkeit. Wenn die Aufmerksamkeit aber dem Handy zukommt und eine überraschende Situation im Straßenverkehr auftritt, sind Stürze und Unfälle oft die Folge“ so der Referent.
Eine andere Präventionsmaßnahme bestehe darin, im Laufe der Kindheit und Jugend ein ausgeprägtes Gefühl für den eigenen Körper zu erreichen. Wer mit seinem Körper umzugehen weiß, kann unvorhergesehene Herausforderungen besser bewältigen, Stürze eher vermeiden oder schadlos abfangen.
Quelle: Stadtanzeiger Mosbach | 18. Oktober 2018 | Nr. 42