Buchen & Mosbach | Dass die Kinderhochschule Medizin am Anfang der Sommerferien in Mosbach und Buchen „einfach dazugehört“, sagt sicher nicht nur die Mutter, deren Sohn dieses Jahr schon zum dritten Mal mitgemacht hat. Auch viele andere Kinder und Eltern finden die Kinderhochschule „einfach gut“.
Nicht ganz so einfach ist es für die Organisatoren und Referenten des attraktiven Ferien- und Bildungsangebots, jedes Jahr pünktlich und kindgerecht mit spannenden Themen der Medizin präsent zu sein; und das neben der nicht gerade geringen Krankenhausarbeit.
„Wenn man aber als Arzt und Familienvater sieht, mit welcher Wissbegier und Freude die Kinder hier Jahr um Jahr bei der Sache sind, fällt es einem nicht schwer, dieses spannende Projekt immer wieder neu zu stemmen.“ - so sieht es der Initiator und Organisator Priv.-Doz. Dr. med. Harald Genzwürker.
Auch dieses Jahr waren es jeweils über 200 Schülerinnen und Schüler in Mosbach sowie in Buchen, die an den Vorlesungen der Kinderhochschule Medizin teilnahmen. Interessierte Eltern, Großeltern und andere Verwandte konnten die Vorlesungen wieder per Live-Übertragung in benachbarten Räumen verfolgen, was sie in die Lage versetzte, später im Familienkreis über die Kinderhochschule Medizin und das darin Erlebte auch mitreden zu können.
Da das Engagement der beteiligten Ärzte wie immer ohne Honorierung geleistet wurde, konnten die Eintrittsgelder auch dieses Jahr in der Gesamthöhe von 1.000 € dem Ambulanten Kinderhospizdienst Neckar-Odenwald-Kreis e.V. als Spende überwiesen werden.
Nach-Ferien-Service für alle, die nicht dabei sein konnten
Wie die Kinderhochschule Medizin selbst, so ist auch eine ausführliche Nachberichterstattung im Stadtanzeiger Mosbach fast schon zur guten Tradition geworden. In vier aufeinander folgenden Ausgaben widmet sich die Redaktion je einem der Referate. Die entsprechenden Themen lauteten dieses Jahr:
- „Wie macht der Narkosearzt, dass man schläft?“
- Bei „Kampf den Keimen“ ging es um Bakterien, Viren & Co und somit um die wichtige Frage der Hygiene. Das Thema wurde von den beiden Hygienefachkräften Tanja Hautzinger und Ilona Schwenk vorgetragen.
- Die dritte Vorlesung übernahm dieses Mal Dr. Winfried Munz, der als Chefarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe in Buchen und Mosbach Antworten auf die Frage wusste „Wie wächst das Baby im Bauch?“.
- Das vierte Thema trug schließlich Chefarzt Dr. Bernd Gritzbach bei. Als „Knochen-Doc“ weiß er gut, wie menschliches Wachstum funktioniert. In seinem Referat „Vom Baby zum Erwachsenen“ gab er sein Wissen an die jungen Veranstaltungsteilnehmer weiter.
Die Berichte über die Kinderhochschule Medizin sind gleichermaßen für Eltern und Schüler/innen geschrieben. Denen, die nicht an der Kinderhochschule Medizin teilnehmen konnten, wollen wir damit die Möglichkeit geben, ein bisschen was zu den behandelten Themen nachzuholen. Außerdem sollen die Berichte als Appetitmacher fürs nächste Jahr wirken.
Wie macht der Narkosearzt, dass man schläft?
Die Begrüßung und den Eröffnungsvortrag übernahm auch dieses Mal Chefarzt Priv.-Doz. Dr. Genzwürker, der als Universitätsdozent auch wirkliche Medizinstudenten unterrichtet. Dass er nicht nur als Narkosearzt, sondern auch als Vermittler von Wissen viel Erfahrung hat, zeigte sich auch dieses Jahr wieder. Er versteht es, Spaß und spannungsvolle lustige Effekte so in die wissenswerten Inhalte einzustreuen, dass seine Zuhörerschaft immer bei der Stange bleibt und die Konzentration fast spielerisch hochhält – und dies zu Beginn der Sommerferien.
Los ging es, wie in den Vorjahren geübt, mit der „Begrüßungsrakete“. Sie funktioniert dreistufig und ist so aufgebaut: erst gemeinsames Händeklatschen, dann Strampeln und Stampfen, schließlich das Abheben mit lautem Geschrei aus den Mündern der großen Horde. Gute Laune und Spaß waren also auch dieses Jahr wieder von Anfang an dabei.
Mit seinem Vortrag „Wie macht der Narkosearzt, dass man schläft?“ gab Dr. Genzwürker einen breit gefächerten Einblick in sein Fachgebiet und schilderte in Wort und Bild die Abläufe rund um einen operativen Eingriff. „Während in Comics oder Krimis die Menschen manchmal durch Fausthiebe oder Hammerschläge in das Reiche der Träume geschickt werden, hat man in der Medizin freundlicherweise verträglichere Methoden entwickelt, das Bewusstsein vorübergehend auszuschalten.“
So wurden die jungen Studenten in das erste Thema eingeführt, und sie sahen während des Vortrags Fotos von OP-Szenen, von hoch technologischem Überwachungsgerät und von Anästhesieteams aus Ärzten und Pflegkräften.
In diesem Zusammenhang berichtete Herr Dr. Genzwürker, der auch die Funktion des Ärztlichen Direktors an den Neckar-Odenwald-Kliniken wahrnimmt, dass derzeit in Buchen und Mosbach jährlich weit über 8.000 operative Eingriffe durchgeführt werden.
Mehr als nur „Man spürt nichts“
Da bei den Veranstaltungsteilnehmern ein paar Kinder bereits von selbsterlebten OP- und Narkoseerfahrungen berichten konnten, war der Vortrag mehr als nur Theorie. Und als einige junge Studentinnen und Studenten sogar in OP-Kleidung inklusive Mundschutz schlüpfen durften, war die Begeisterung groß und das Fingerschnalzen bei Zwischenfragen des Referenten laut. Auf die Frage, welche Ziele eine Narkose habe, kam mehrheitlich das logische „Man spürt nichts!“. Dass es eine ganze Reihe an weiteren Nutzen der Narkose gibt, war von den Vortragscharts abzulesen. Neben der „Ausschaltung des Schmerzempfindens“ stand da:
- Verbesserung der Operationsbedingungen
- angenehmes und schnelles Einschlafen
- kein Aufwachen während der Narkose
- angenehmes Aufwachen nach der Operation
- keine Übelkeit nach der Operation
- man ist schnell wieder fit
Das klingt selbst für jüngere Studenten und Laien alles logisch, aber von alleine kommt man nicht so leicht auf all diese Punkte. Dann folgte der Hinweis des Narkosespezialisten, dass nicht jeder operative Eingriff eine Vollnarkose erfordert. Dr. Genzwürker zeigte, dass Teilnarkosen als Betäubung bestimmter Körperregionen ausreichen, wenn Operationen an Armen und Beinen anstehen. Bei solchen Teilnarkosen blockiert man mit einem sogenannten Lokalanästhetikum ein oder mehrere Nerven komplett. Dadurch wird die Schmerzleitung aus einer bestimmten Körperregion zum Gehirn gezielt unterbunden. Für den gesamten Organismus sind solche Teilnarkosen schonender als Vollnarkosen.
Wir begleiten Tobias von der OP-Empfehlung bis zum Aufwachraum
Im zweiten Teil seines Referats zeigte Dr. Genzwürker in einer Bildfolge-Story den gesamten Ablauf einer Ohren-Operation bei einem Jungen namens Tobias. In groben Zügen verlief diese Geschichte wie folgt: Dem etwa zehnjährigen Tobias wird es schon etwas mulmig, als er vom Hals-Nasen-Ohren Arzt gesagt bekommt, dass die Beseitigung seiner Ohrenprobleme eine Operation erfordert. In der nächsten Szene sitzt der junge Patient schon auf dem Klinikbett und lässt sich vom Narkosearzt (auch Anästhesist genannt) erklären, wie alles vor sich geht. Zunächst hört Tobias dabei, dass er bis 6 Stunden vor Narkosebeginn normal essen -, also feste Nahrung zu sich nehmen darf. Bis 2 Stunden vor der OP kann etwas getrunken werden, allerdings keine Milch und keine Säfte mit Fruchtfleisch.
Als Tobias dann morgens kurz vor 8 Uhr in den Operationssaal geschoben wird, sieht er eine ganze Reihe an Apparaten und Maschinen sowie das OP Team in der grünen OP-Kleidung. Dr. Genzwürker hat solche OP-Kittel mit in seine Vorlesung gebracht und lässt seine Studentinnen und Studenten auch hineinschlüpfen.
Bis Ende des 19. Jahrhunderts operierten die Ärzte in Straßenkleidung
Sterile weiße OP-Kleidung wurde erst zu um 1880 zur Pflicht, als man damit begann, Bakterien zu bekämpfen und den OP Raum möglichst davon frei zu halten. Und nach dem Zweiten Weltkrieg änderte sich die Farbe der Schutzkleidung. Von Amerika ausgehend, verbreitete sich die grüne OP-Garderobe in der ganzen Welt und löste das Weiß ab. Das psychologische Motiv für diesen Farbwechsel: Grün wird mehr als jeder anderen Farbe eine beruhigende Wirkung zugesprochen.
Welch große Bedeutung der lückenlosen Patientensicherheit bei Operationen heutzutage zukommt, zeigt Dr. Genzwürker seinen jungen Zuhörern unter anderem auch an der „OP-Sicherheits-Checkliste“, die vor und nach jeder Operation gemeinsam vom Narkosearzt und dem operierenden Chirurgen auszufüllen ist. Diese Liste richtet ihr Augenmerk ebenso auf Verwechslungsrisiken (z.B. Identität des Patienten, Benennung des geplanten Eingriffes, richtige Körperseite markiert, etc.) wie auf persönliche Faktoren des Patienten (z.B. Allergien, schwieriger Atemweg, Risiko des Blutverlustes, etc.) und auf die OP Organisation (z.B. Ausrüstung komplett, Anzahl der Tücher und Kompressen vor und nach OP korrekt).
Befindet sich der Patient dann im Vorbereitungsraum, werden die Überwachungsgeräte angeschlossen. Sie zeigen mittels fortwährender EKG, Puls- und Blutdruckmessung an, ob die lebenswichtigen Herz-/Kreislauffunktionen während der OP intakt bleiben.
Startklar: Narkose ist wie das Abheben eines Fliegers
Zur Einleitung der Narkose erhält Tobias eine Atemmaske und eine Infusion angelegt.
Damit der Nadel-Pieks beim Anlegen des Zugangs für intravenöse Narkose- und Schmerzmittel nicht so weh tut, gibt es vor allem für Kinder eine „Zaubersalbe“. Sie schaltet lokale Schmerzen aus.
Das Wissen und die Erfahrung des Narkose-Arztes machen es dann auch aus, dass der Patient genau die richtige Dosis an Narkose- und Schmerzmittel erhält. Es soll einerseits nicht zu viel sein, damit der Körper nicht zu sehr beansprucht wird. Andererseits muss die Menge ausreichen, um für die Dauer der OP sicher wirksam zu bleiben und Schmerzen auch darüber hinaus einzudämmen.
Nun „hebt der Patient ab wie ein Flieger ab. Er gleitet sanft in einen Tiefschlaf“. Jetzt wird ein Beatmungsschlauch in die Atemwege eingebracht, um für eine ausreichende Beatmung während der OP zu sorgen. Davon merkt Tobias aber überhaupt nichts mehr. Währenddessen haben auch die Kontrollgeräte ihre Arbeit aufgenommen. Sie zeigen, ob alle wichtigen Werte stimmen, und diese Werte werden auch ständig schriftlich dokumentiert.
Jetzt kann der Chirurg die Operation durchführen. Als Tobias nach getaner Arbeit des Chirurgen aufwacht, fehlt ihm nichts – außer den Ohrenproblemen, die er gerne im OP-Raum zurücklässt.
Kein Kinderspiel – Ein Narkosearzt braucht mindestens 11 Jahre Ausbildung
Am Ende seines Vortrages richtet Dr. Genzwürker einen kurzen Blick auf den Ausbildungsweg, den ein Narkosearzt in Deutschland zu absolvieren hat. Derzeit erfordert dieser Weg nach dem Abitur mindestens 11 Jahre, die sich in ein sechsjähriges Medizinstudium und eine mindestens fünfjährige Ausbildung zum Facharzt für Anästhesiologie gliedert.
Die letzte Quizfrage an die Teilnehmer des ersten Kurses 2017 lautete: „Was macht ein Narkosearzt denn sonst noch so?“ Und auf dem Antwort-Chart war zu lesen: „Intensivmedizin, Notfallmedizin, Schmerztherapie ... und die Kinderhochschule Medizin!“
Die Referenten
Priv.-Doz. Dr. med. Harald Genzwürker ist Initiator und treibende Kraft bei der Veranstaltungsreihe Kinderhochschule Medizin in Buchen und Mosbach. Der Chefarzt für Anästhesiologie und Ärztliche Direktor an den Neckar-Odenwald-Kliniken vermittelt seine Praxiserfahrung und sein Wissen als Anästhesist, Notfall- und Intensivmediziner auch als Privatdozent an der Medizinischen Fakultät Heidelberg und als Autor zahlreicher Fachpublikationen.
https://www.neckar-odenwald-kliniken.de/aktuelles/aktuelle-mitteilungen/163-die-kinderhochschule-medizin-gehoert-einfach-dazu.html#sigProId1fed2e2fd6
Kampf den Keimen
Beim zweiten Vortrag standen Bakterien im Mittelpunkt. Ging es beim ersten Referat der diesjährigen Kinderhochschule Medizin im Mosbacher Ärztehaus um die Narkose und das Operieren, so waren die Hauptdarsteller des zweiten Vortrags Kleinstlebewesen, mit denen man es nicht so gern zu tun hat.
Das Referat von Tanja Hautzinger und Ilona Schwenk nahm Bakterien unter die Lupe und kam zu dem Schluss, dass diese „zwar klitzeklein aber nicht nur gemein“ sind. Die beiden Fachkrankenschwestern für Hygiene und Infektionsprävention überraschten ihr Publikum gleich mit der Feststellung, dass Bakterien nicht nur Übeltäter in Miniaturformat darstellen, sondern den menschlichen Körper auch in mancherlei Hinsicht unterstützen.
Zunächst aber war die Größenbeschreibung dran: Mit ihrer Konfektionsgröße XXXS, 2 bis 3 Mikrometern Körperumfang, können sich Bakterien vor dem menschlichen Auge prima verstecken. Man bedenke, dass 1 Mikrometer so viel wie 0,0001 Millimeter ist.
Bakterien sind keine Biester – Auf das Gleichgewicht kommt’s an
Bakterien in erster Linie als „kleine Biester“ zu beschreiben und oft hochdramatisch vor „Killerkeimen“ zu warnen, hat nach Darstellung der beiden Referentinnen mit der Wirklichkeit selten viel zu tun. Die beiden Expertinnen machten ihrem hellwachen Publikum dann im weiteren Vortrag auch klar, auf was es bei der Körper- und Gesundheitspflege ankommt: „Bakterien sind an den richtigen Stellen des Körpers und dort in der richtigen Menge gesundheitsförderlich. So könnte der Darm als lebenswichtiges Organ ohne Bakterien gar nicht funktionieren.“ Als weitere Wohnorte der Bakterien nannten Frau Hautzinger und Frau Schwenk die Haut und die Schleimhäute. Wobei an diesen Wohnorten auch Pilze und Viren siedeln, aber den Bakterien normalerweise den meisten Platz lassen.
Die jungen Studentinnen und Studenten zeigten sich nach Worten der Expertinnen Hautzinger und Schwenk während des gesamten Vortrags „erstaunlich gut informiert und mit vielen Fachbegriffen ausgestattet“. Trotzdem staunten sie nicht schlecht, als sie hörten, dass jeder gesunde Mensch etwa 1,5 kg Bakterien mit sich herumträgt. Zu ihren positiven Aufgaben gehört die Unterstützung der Darmtätigkeit, was Milchsäurebakterien bei Gärungsprozessen übernehmen. Andere hilfreiche Bakterien heißen zum Beispiel „Laktobazillen“. Sie sorgen in einem gesunden Scheidenmilieu, dass sich schädliche Erreger dort nicht einnisten können und eine Scheideninfektion verursachen. Die Grundregel, die auch an anderen Stellen des Körpers gilt: „Wo nützliche Bakterien in richtigem Ausmaß angesiedelt sind, finden Krankheitserreger keinen Platz.“
Natürlich vorkommende Bakterien sind auch gut für die Haut. Sie wehren Allergien ab und unterstützen den Aufbau der Flora auf der Hautoberfläche. In jüngster Zeit werden Bakterien sogar dazu eigesetzt, den Heilungsprozess von Wunden zu fördern. Und es ist abzunehmen, dass die Wissenschaft künftig noch mehr positive Wirkungen von Bakterien entdeckt.
Nützliche Bakterien können aber auch zu Krankheitserregern werden und eine Infektion auslösen. Dies geschieht, wenn das Immunsystem geschwächt ist und die Ansiedlung von zu vielen Bakterien zulässt. Auch dann, wenn an einem falschen Ort im Körper ansiedeln. So führen Darmbakterien in den Harnwegen zu Blasenentzündungen.
Einige Bakterien sind immer krankheitserregend. Sie müssen durch Hygiene vom Körper ferngehalten werden. Wobei es manchmal auch zu bakteriellen Infektionen kommt, ohne dass man sich schützen kann. So bei Salmonellen, die man mit davon befallenen Lebensmitteln (oft rohe Eier oder Mousse au Chocolat) zu sich nimmt, ohne es zunächst zu merken. Die Folge können starke Durchfälle sein.
Ebenso kann man sich durch Bakterien Erkältungskrankheiten, wie Husten, Schnupfen oder eine Grippe, einfangen. Diese Krankheiten sind auch oft Übertragungswege von Bakterien. Bei der sogenannten Tröpfcheninfektion kommen die Bakterien durch das Husten oder Niesen des Trägers zunächst in die Luft und von dort aus oft in die Atemwege von anderen Menschen, die sich in der Nähe des Patienten aufhalten.
Auch Entzündungen, vor allem im Mundraum (z.B. Karies) und an den Schleimhäuten der Genitalien, können sich bei einem gestörten Gleichgewicht der Bakterien oder bei einer Besiedlung mit schädlichen Bakterien einstellen. Die Infizierung erfolgt dabei über direkten Körperkontakt oder/und verunreinigte Nahrung.
Kinder als „aktive und kritische Zuhörer“
Als Fachkrankenschwester für Hygiene und Infektionsprävention ist es Tanja Hautzinger gewohnt, über die grundsätzlichen Themen ihres Berufes vor Publikum zu referieren. Im Nachgespräch zu ihrem Referat bei der Kinderhochschule Medizin waren es zwei Punkte, die sie als „ungewöhnliche Erfahrungen“ betonte: Zum einen wies sie darauf hin, dass „die Kinder zu Gesundheitsfragen überraschend gut informiert sind und ein waches Interesse an solchen Fragen zeigen“. Zum andern wundert sich die Expertin darüber, dass „...bei dem lebendigen Interesse der Kinder und der Wichtigkeit dieses Themas Gesundheitserziehung noch immer kein Schulfach ist.“
Frau Hautzinger und Frau Schwenk erlebten ihre junge Zuhörerschaft „wacher und aktiver als
viele Erwachsene, vor denen wir ab und zu auch referieren.“ Kinder haben nach Ansicht der beiden Hygiene-Expertinnen „... zumeist einen unverkrampften und neugierigen Zugang zu allen Themen rund um Gesundheit und Körper. Sie sind noch frei von den Erwachsenenängsten und entdecken ihren Körper und dessen Funktionen ohne falsche Scheu. Ihnen dabei Neues und Relevantes mitzuteilen, macht richtig Spaß.“
Zauberkisten wurden zum richtigen „Hingucker“
Nach dem Motto „Erlebtes haftet besser im Gedächtnis“ war der Vortrag auch mit einigen Erlebnis-Elementen versehen. Wobei die Schwarzlicht-Boxen die Hitliste der Experimente klar anführte. Die jungen Veranstaltungsteilnehmer sollten zunächst eine präparierte Creme, die unter Schwarzlicht sichtbar wird, auf ihre Hände auftragen, um dann die Hände gründlich zu waschen. Danach konnte durch Hände-rein-Strecken in den Schwarzlicht-Boxen genau dargestellt werden, ob tatsächlich alle Bereiche der Hände mit ausreichend Wasser und Seife gesäubert worden waren. Was sich da oft noch an verborgenen Schmutzresten zeigte, löste oft ein überraschtes Stöhnen oder auch Lachen bei den Probanden aus. Die Aha-Effekte, die alle Teilnehmer bei dem Experiment erlebten, haben nach Ansicht der beiden Referentinnen mit dazu beigetragen, dass die an der Aktion beteiligten Kinder „... nicht so schnell vergessen, dass beim Händewaschen ein bestimmtes Maß an Gründlichkeit nötig ist, um wirklich saubere Hände zu bekommen.“
Tanja Hautzinger und Ilona Schwenk, die vor ein paar Jahren schon einmal bei der Kinderhochschule dabei waren, schätzen den Erlebnisanteil der Veranstaltungsreihe sehr: „Anders als in der Schule, können wir hier in der Kinderhochschule Medizin die Veranstaltungsteilnehmer immer wieder zum Staunen bringen. Ob das ein Live-Ultraschall bei einer schwangeren Frau ist, ein Schwarzlicht-Experiment oder ein Alterssimulationsanzug: Wenn die Kinder unsere Informationen und Lerninhalte mit ihren Sinnen erfahren, ist es immer intensiver und kurzweiliger als in der Schule. Außerdem bleiben solche ‚erlebten ’Lerninhalte länger im aktiven Wissen haften.“
Wie man das Infizieren mit Bakterien vermeiden kann
In Bezug auf geeignete Abwehrmaßnahmen gegenüber Infektionen blieb es aber nicht bei der Aktion mit dem gründlichen Händewaschen. Die Referentinnen zählten eine ganze Reihe weiterer Maßnahmen auf. Allem voran nannten sie die richtige Körperpflege mit regelmäßigem Waschen und Duschen. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Beobachtung, dass es in auch hier ein übertriebenes „Zuviel“ geben kann, das dem Körper seine selbstregulierenden Kräfte eher wegnimmt, als sie zu fördern. Diesbezüglich machen Hautärzte zunehmend darauf aufmerksam, dass viele Duschgels und Seifen die natürlichen Fettschichten des Körpers angreifen und ihre Funktion mindern. Diesbezügliche Warnungen lauten: „Achtung vor zu viel parfümierten Seifen!“. Auch das richtige Abtrocknen gehört zur Körperpflege, denn in feuchten Milieus siedeln Bakterien gerne an. Weiterhin bedeutet das tägliche Zähneputzen ein wirksames Mittel zur Abwehr von unliebsamen Bakterien.
Als weiteres Mittel gegen die Ansiedlung von unerwünschten Bakterien lernten die Veranstaltungsbesucher das Eincremen kennen. Denn dadurch erhält die Haut einen wirksamen Schutz gegen den Eintritt von Erregern. Besondere Wichtigkeit kommt in diesem Zusammenhang dem Sonnenschutz zu, denn Sonnenbrände schädigen die Haut so, dass Infektionen und der Befall von Bakterien leichter möglich werden.
Zu den wichtigen Abwehrmaßnahmen gegen Infektionen zählten die beiden Referentinnen dann auch das Thema „Ernährung“. Auch dazu wussten die jungen Veranstaltungsteilnehmer gut Bescheid. Dass man frisches Obst waschen sollte, bevor es auf den Tisch kommt; dass Lebensmittel, die es erfordern, richtig gekühlt werden müssen ... alles richtig und alles bereits im aktiven Wissen vieler Kinder verankert.
Was Kinder und Jugendliche hingegen weniger gern wahrhaben wollen, ist die Tatsache, dass auch ausreichend Schlaf für gute Abwehrkräfte sorgt. Schließlich wurde noch darauf aufmerksam gemacht, dass auch ein ausreichender Impfschutz dazu beiträgt, Krankheitserreger vom Körper fernzuhalten bzw. deren Wirksamkeit zu neutralisieren.
Haustiere und Hygiene
Den letzten Aspekt, der aber in vielen Familien ein Dauerthema darstellt, brachten die Veranstaltungsteilnehmer selbst ein: Haustiere als Träger von Erregern. Ob Kanarien, Katzen, Hunde oder Meerschweinchen – wenn Tiere zum Familienleben dazu gehören, dann kommt dem gründlichen Händewaschen eine noch größere Bedeutung zu als in tierfreien Haushalten. Hygiene-Experten halten den Kontakt zwischen Haustieren und Kindern „... grundsätzlich für gut – auch aus hygienischer Sicht. Denn für eine gesunde Entwicklung der kindlichen Abwehr ist es gut, einen tierischen Trainingspartner zu haben“. So beschreibt es beispielsweise der Facharzt für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie Dr. Andreas Schwarzkopf. Dass Kinder bedenkenlos mit Haustieren spielen und kuscheln können, setzt seines Erachtens lediglich die Beachtung einiger Regeln voraus. Dazu zählt er das Händewaschen nach Tierkontakt - besonders vor dem Essen – und das Vermeiden von Schnäuzchen küssen. Außerdem muss seinen Empfehlungen zufolge auf eine Gesundheitsvorsorge für das Tier, wie Impfungen und regelmäßige Entwurmungen, geachtet werden.
Wie wächst das Baby im Bauch?
Schwanger ist viel mehr als dick!“ – Diesem Motto folgte der dritte Vortrag der diesjährigen Kinderhochschule Medizin, den Dr. med. Winfried Munz, Chefarzt für Gynäkologie und Geburtshilfe an den Neckar- Odenwald-Kliniken hielt.
Noch vor Beginn dieses Vortrages bestätigte die Mutter eines Veranstaltungsteilnehmers, dass die Themenwahl für diesen Vortrag „gut und angebracht“ sei. Denn so sei es ja so, „... dass Geschwisterkinder, die ihre Mutter schwanger erleben, gesagt bekommen, dass in dem dick gewordenen Bauch der Mutter ein Geschwisterchen heranwachse. Wobei die Erklärungen damit so enden.“ Beim Vortrag des erfahrenen Frauenarztes und Geburtshelfers fangen die Erklärungen genau dort an, und er hatte sehr wache Zuhörerinnen und Zuhörer.
Dass der Mediziner bei seinem jungen Publikum den richtigen Ton treffen würde, war zu erwarten, da er als sechsfacher Vater kindgerechtes Erklären zuvor schon länger üben konnte. Dennoch hatte sich Dr. Munz für seinen Vortrag nicht nur interessante Inhalte zurechtgelegt, sondern auch darüber nachgedacht, „Wie man zu Beginn der lang ersehnten Sommerferien Inhalt und Form eines Referats so zusammenbringt, dass die Kinder mühelos Aufmerksamkeit aufbauen und aufrechterhalten können.“
Wie gut ihm dies gelungen ist, war während der ganzen Veranstaltung zu erleben: Alle junge Studenten zeigten sich so interessiert bei der Sache, dass es bei Fragen des Referenten allseitig heftiges Melden mit Fingerschnipsen gab und sich die große Neugier der Teilnehmer in gefühlten 1000 Fragen ausdrückte.
Der Erste Monat der Schwangerschaft:
Ein Pünktchen von 0,2 mm Größe nistet sich in der Gebärmutter ein. Die „Reise zurück in Mamas Bauch“ vollzog sich während des Vortrags in einzelnen Etappen, zu denen Reiseleiter Dr. Munz jeweils aufschlussreiche und spannende Informationen an sein Publikum weitergab. Zur Einstimmung schilderte er, wie die Atmosphäre in Mamas Bauch von den Noch-Nicht-Geborenen wahrgenommen wird: „Im Bauch der Mutter ist es dunkel, leise, wohlig, und es gibt ein sanftes Schaukeln.“ Dabei machte ein Schaubild deutlich, dass der Bauch eigentlich eine ganze Körperregion bezeichnet, zu der unterschiedliche Organe gehören, unter anderem auch die Gebärmutter als der Ort, „In dem das Kind von einem Pünktchen mit 0,2 mm Größe bei der Einnistung zu einem lebensfähigen kleinen Menschen heranwächst.“
Dass dieser Prozess in der Regel 9 Monate oder 280 Tage dauert, wussten viele Veranstaltungsteilnehmer bereits. Bei der allgemeinen Wissbegierde kam es dann auch schnell zur Frage, wie sich eine Schwangerschaft denn überhaupt einstelle. Der Referent räusperte sich kurz, um dann zu erklären: „Mit der Geschlechtsreife einer jungen Frau, also mit der Pubertät, wird während des Menstruationszyklus eine reife, aber noch unbefruchtete Eizelle aus dem Eierstock in den Eileiter ausgesto- ßen. Dieser Vorgang nennt sich Eisprung. Im Eileiter wartet die Eizelle anschließend 12 bis 24 Stunden darauf, von Spermien befruchtet zu werden, um dann zur Gebärmutter zu wandern und sich dort einzunisten. So wird eine Schwangerschaft auf natürlichem Wege eingeleitet.“ Auf weitere, nicht medizinische Erklärungen in Bezug auf das Zustandekommen einer Schwangerschaft verzichtete Herr Dr. Munz bei seinem Vortrag und überließ die Antworten den Eltern und dem Sexualkundeunterricht in der Schule.
Nach 5 Wochen schlägt das Herz
Hat sich die befruchtete Eizelle in der Gebärmutter eingenistet und die Entwicklung zu einem Baby in Gang gesetzt, so lässt sich schon nach 5 Wochen dessen Herzschlag feststellen. Im dritten Monat ist das Baby, wie Chefarzt Munz weiter berichtete, bereits 3-9 cm groß. Es hat dann ein Gewicht von bis zu 45 Gramm. Bei diesen Erklärungen machte der Referent auch darauf aufmerksam, dass alle von ihm genannten Zahlen hinsichtlich Zeit, Größe und Gewicht immer Durchschnittswerte darstellen, von denen geringe Abweichungen möglich sind, ohne problematisch sein zu müssen.
Bei allen Einzelheiten, mit denen er den Prozess der embryonalen Entwicklung darstellte, kam der Referent übrigens ohne lateinische Fremdworte aus, was er für sich als „gute Übung für den Alltag in der Klinik“ sah, „denn es gehört zu den Ansprüchen, die ich an mich selbst richte“, so Dr. Munz weiter, „werdenden Müttern und Vätern in einer allgemein verständlichen Sprache zu erklären, wie die Schwangerschaft und die Geburt verlaufen.“
„Warum ertrinken Babys nicht im Fruchtwasser“?
„Warum bekommen Männer keine Kinder?“ „Warum? Warum? Warum?“ - So spannend das für die jungen Studentinnen und Studenten war, so viele Fragen wurden von ihnen auch gestellt. Da wollte ein Veranstaltungsteilnehmer zum Beispiel wissen „Warum ertrinken Babys nicht in Fruchtwasser?“ Die Antwort darauf brachte die Kinder zum Staunen: „Im Mutterleib ist die Lunge des Kindes vollständig mit einer von der Lunge selbst produzierten Flüssigkeit gefüllt. Das trägt zur Entwicklung der Lunge bei, und die Flüssigkeit sorgt dafür, dass die reifende Lunge nicht zusammenfällt. Die Sauerstoffversorgung des Ungeborenen wird bis zur Geburt von der Mutter übernommen. Wie ein Taucher die Atemmaske nutzt, um über einen Schlauch den benötigten Sauerstoff von einer mitgeführten Flasche zu erhalten, so nutzt das ungeborene Kind die Nabelschnur als Verbindung zur Mutter. Das mütterliche, mit Sauerstoff gesättigte, nährstoffreiche Blut fließt über die Nabelschnur in den Körper des Ungeborenen und versorgt dessen Organe mit Energie und Sauerstoff. Erst kurz vor der Geburt wird die Flüssigkeit in der Lunge des Kindes abgebaut. Der letzte Rest wird sogar nach der Geburt abgehustet. Dann kann das Kind seinen ersten eigenständigen Atemzug vornehmen.“
Ein anderes Kind wollte wissen, ob „Kinder im Mutterleib in ihrem eigenen Pipi schwimmen“. Die Antwort war ein eindeutiges „Ja“. Wobei Dr. Munz gleich nachschob, dass es dabei für ein „Igitt!“ gar keinen Grund gebe. „Das Kind in der Gebärmutter trinkt Fruchtwasser, im siebten Monat sogar schon einen Liter am Tag. Und es scheidet seinen Urin auch wieder ins Fruchtwasser aus, womit es tatsächlich sein eigenes Pipi trinkt. Da das Fruchtwasser aber ständig neu produziert wird und diese Vorgänge auch überhaupt nicht schmutzbelastet sind, braucht man sich bei dieser Vorstellung in keiner Weise zu ekeln.“
So ging es mit dem Frage-Antwort-Spiel munter weiter: „Warum können Männer keine Kinder bekommen?“ – Die Antwort von Dr. Munz: „Weil sie keine Gebärmutter haben.“ – „Und warum haben Männer keine Gebärmutter?“ - „Weil der liebe Gott die Frau und den Mann halt unterschiedlich erschaffen hat“ war die Antwort. Aber das „Warum“ ging noch eine Zeitlang weiter.
Im 4. monat sind alle Organe fertig
Dann richtete sich die Aufmerksamkeit wieder auf die Entwicklung des Kindes in der Gebärmutter. Chefarzt Munz erklärte seinen Zuhörern, dass schon im vierten Monat alle Organe fertig sind und die Babys dann in der Regel etwa 80 Gramm wiegen. Sie haben dann mit 10 cm die Größe des berühmten Däumlings. Einen Monat später wiegt es mit ca. 500 Gramm schon viel mehr. Dann schlägt das Kind im Mutterleib schon Purzelbäume, was die werdende Mutter auch deutlich spürt. Und wiederum einen Monat später wiegt das ungeborene Kind schon 800 Gramm. Das ist zehn Mal so viel wie zwei Monate vorher. Jetzt, im sechsten Monat, reagiert das Baby auch schon auf Licht und Geräusche.
1 Liter Fruchtwasser Pro Tag
Im 7. Monat ist die Entwicklung fast abgeschlossen. Nach 6 Monaten im Bauch der Mutter hat das Baby seine Entwicklung zu einem selbstständig lebensfähigen Menschen fast abgeschlossen. Die Organe, die Gehirntätigkeit und die Wahrnehmungssinne des Kindes nehmen im siebten Monat weiter zu. Die Entwicklung der Lunge hingegen braucht noch etwas länger. Notfalls kann das Kind die weitere Entwicklung bei entsprechender Unterstützung nun auch außerhalb des Mutterleibs fortführen.
Bei sogenannten ‚Frühchen’ ist dies der Fall. Das sind Kinder, die wegen komplizierter Situationen früher als üblich auf die Welt kommen. Im siebten Monat öffnen sich auch die Augen des Babys. Ihre Farbe ist zunächst bei allen Babys blau. Die individuelle Augenfarbe stellt sich dann im Verlauf des ersten Lebensjahres ein. Im 7. Monat entwickelt sich auch der Gleichgewichtssinn des Babys. Soviel Entwicklung und ebenso viel Bewegung im Mutterleib machen natürlich Durst. Deshalb trinkt das Baby in diesem Entwicklungsstadium etwa einen Liter Fruchtwasser pro Tag. Manchmal bekommt es auch Schluckauf, was die Mama des Kindes deutlich spürt.
All diese Informationen wurden von den Teilnehmern mit großer Faszination aufgenommen.
50 cm groß, 3 kg schwer - der Geburt entgegen
So ging es im Vortrag weiter bis zum 9. Monat, der Zeit, in der das Baby eine Länge von ca. 50 cm und ein Gewicht von ca. drei Kilogramm erreicht. Mit diesen Maßen wird es dem Ungeborenen allmählich zu eng in der Gebärmutter. Das Kind verfügt nun über alle Fähigkeiten, die es für das Leben außerhalb des Mutterleibes braucht. Es ist sozusagen „startklar“ für die Geburt. Die Reise im Bauch einer werdenden Mutter war damit also fast zu Ende. „Fast“, weil der Referent für seine jungen Studentinnen und Studenten noch eine Überraschung parat hatte.
Das Highlight
Als absolutes Highlight des Vortrags erlebten die jungen Veranstaltungsteilnehmer schließlich die Möglichkeit, ein echtes Baby im Mutterleib zu sehen. Eine Mitarbeiterin in der Personalverwaltung der Neckar-Odenwald-Kliniken befand sich am 28. Juli in der 28. Schwangerschaftswoche. Sie hatte sich bereit erklärt, dass die jungen Studenten unter Anleitung von Chefarzt Munz bei einer Ultraschalluntersuchung dabei sein durften, um direkt sowie auf einer großen Übertragungsleinwand zu sehen, wie sich das Kind im Mutterbauch bewegt. Bei dieser Untersuchung herrschte im Vortragssaal eine hoch konzentrierte und aufmerksame Stille. Was nicht nur für die anwesenden Kinder, sondern auch für Chefarzt Munz nach eigenen Worten „Einen bewegenden Moment darstellte. Für uns Frauenärzte, die ihren Beruf schon länger ausüben, gehören Ultraschalluntersuchungen von Schwangeren zu den Routineaufgaben. Bei dem Ultraschall, den wir gemeinsam im Rahmen der Kinderhochschule Medizin durchgeführt haben, wurde diese Routine plötzlich durchbrochen.
Die deutlich spürbare Ehrfurcht der Kinder beim Anblick eines noch ungeborenen Kindes hat mich sehr berührt und mir einmal mehr vor Augen geführt, welch Wunder der Natur das werdende Leben immer wieder darstellt. Die staunenden Kinderaugen haben also erreicht, dass auch ich als Routinier dieses Staunen wieder einmal neu erlebte.“
https://www.neckar-odenwald-kliniken.de/aktuelles/aktuelle-mitteilungen/163-die-kinderhochschule-medizin-gehoert-einfach-dazu.html#sigProIdb17f4e027b
Vom Baby zum Erwachsenen - Wachstum geht fast von alleine
Den Abschluss der diesjährigen Kinderhochschule bildete der Vortrag von Dr. med. Bernd Gritzbach, Chefarzt der Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Wirbelsäulenchirurgie an den Neckar-Odenwald-Kliniken gGmbH. Sein Vortrag zum Wachstum des menschlichen Körpers schloss sich sehr passend an das vorangegangene Referat zur Entwicklung des Babys im Mutterleib an.
Die Überleitung hätte also wie folgt lauten können: „Sind wir dann erst einmal als Menschen in Miniaturformat zur Welt gekommen, dann geht es mit dem Wachstum für viele Jahre weiter.“ Wie sich dieser Prozess darstellt, präsentierte Dr. Gritzbach seinem Publikum dann in vielen Details. Wie den anderen Referenten der Kinderhochschule bei den vorangegangenen Vorträgen, so gelang es auch dem erfahrenen Orthopäden, interessante Informationen aus seinem Fachbereich an aufmerksame Jungstudentinnen und Jungstudenten weiterzugeben.
Eines der beruflichen Spezialgebiete von Dr. Gritzbach ist die „Kindertraumatologie“, also die Behandlung von Verletzungen im Kindesalter. Dadurch hat er viel Übung in kindgerechtem Erklären medizinischer Zusammenhänge, was es ihm nach eigenen Worten „leicht machte, den Vortrag für die Kinderhochschule so vorzubereiten, dass die Kinder gut folgen können“. Und er lag damit richtig, denn von Langeweile oder müdem Geräkel war in den Reihen der Zuhörer auch beim vierten Vortrag nichts zu sehen. Im Gegenteil: Alle Veranstaltungsteilnehmer waren wieder „voll dabei“.
2,51 Meter groß, gibt’s das?
Wer bei der diesjährigen Kinderhochschule in Buchen und Mosbach dabei war, weiß die Antwort auf diese Frage: Ja, einen 2,51 Meter großen Menschen gibt’s. Er heißt Sultan Kösen, lebt in der Türkei und wurde am 10. Dezember 1982 geboren. Der Referent lag mit dieser Einstimmung auf das Thema „Wachstum“ genau richtig. Rekorde machen immer neugierig! Nicht umsonst ist das ‚Guinness-Buch der Rekorde’ das meistverkaufte Buch nach der Bibel. Auch in der Kinderhochschule Medizin schufen Rekorde ein allgemeines Staunen und Interesse. Als kleinsten lebenden Menschen der Welt präsentierte Dr. Gritzbach dann den 1993 geborenen Junrey Balawing von den Philippinen. Er misst 59,9 cm.
Interessant war auch, wie Dr. Gritzbach die Reaktion der Kinder auf diese Größenunterschiede wahrnahm: „Es hat mich berührt und gefreut, mit welcher Unbefangenheit die Kinder mit Normabweichungen umgegangen sind. Ob sehr groß oder sehr klein, ob Fragen zu körperlichen Handicaps – es gab nirgends Hohn oder sonstige Gehässigkeiten hinsichtlich solcher Abweichungen. Wir können bei so offenen Kindern optimistisch sein, dass bei ihnen die Abweichung von Normen künftig nicht mehr so sehr zu Spott und Ächtung führen wird, wie es zum Teil in unserer Gesellschaft heute noch der Fall ist. Denn es sagt über den Wert einer Person ja wirklich wenig aus, ob sie größer, kleiner, dicker, dünner, langsamer oder schneller ist als die Norm. Oft werden solche Abweichungen aber durch die Verweigerung sozialer Anerkennung bestraft. Ich habe in meinem Vortrag aus diesem Grund auch betont, dass sich Normabweichungen nicht nur mit Nachteilen, sondern jeweils auch mit spezifischen Vorteilen verbinden, was uns viele klassische Märchen und Parabeln vor Augen führen, wie die berühmte Geschichte vom Wettlauf des Hasen mit dem Igel.“
Quiz zum Wachstum
Wer wächst schneller – Mädchen oder Jungen? Wie sich das menschliche Wachstum vom Babyalter bis zum Erwachsensein gestaltet, stellte Dr. Gritz-bach in der Form einer kleinen Quizrunde vor. Es ging los mit der Frage, wie groß ein Baby bei der Geburt im Durchschnitt ist. Von den angebotenen Antworten 20, 40, 50 bis 60 oder 90 cm wählten fast alle Kinder mit 50-60 cm die richtige Lösung. Etwas schwieriger war es, am anderem Ende der Wachstumsentwicklung richtig zu liegen: Wie groß sind ausgewachsene Frauen und Männer derzeit im Durchschnitt? Bei Frauen lagen die Antwortange-bote zwischen 160 und 180 cm, bei Männern zwischen 165 und 195 cm. Die richtigen Antworten hießen in diesem Fall 170 cm als Durchschnittsgröße bei Frauen, 178 cm bei Männern. Interessant war für die anwesenden Mädchen und Jungen auch die Frage, welches Geschlecht schneller wächst. Eine kurze Antwort, die einfach „Mädchen“ oder „Jungen“ hieß, gab es nicht, da sich die Situation im Lauf von Kindheit und Jugend mehrmals dreht:
Mädchen und Jungen wachsen bis zum 10. Lebensjahr gleich schnell. Ab dem 10. Geburtstag legen die Mädchen los und wachsen schneller. Die Jungen wachsen dafür mit 14 Jahren am schnellsten. Außerdem wachsen Jungen bis zu ihrem 17. Geburtstag und damit etwas länger als Mädchen. Überrascht war Dr. Gritzbach bei dem Quiz nicht nur über die vielen richtigen Antworten, die aus dem Publikum kamen, sondern über ein öfter zu hörendes „Ich kenne Sie, Sie kennen mich aber anscheinend nicht mehr! Sie haben mich operiert.“ Da all diese Kinder fit und munter wirkten, durfte Dr. Gritzbach davon ausgehen, dass er seine Sache bei den OPs gut gemacht hat.
Wie wächst man eigentlich?
Nach den Quizfragen zu den Ausmaßen und Phasen des menschlichen Wachstums war bei dem Vortrag dann zu klären, wie das Wachstum funktioniert und was dazu führt, dass aus Babys erwachsene Frauen und Männer werden. Unterstützt durch eine Reihe von Schaubildern und durch ein lebensgroßes Skelett, zeigte der Referent seinem Publikum Schritt für Schritt, wie das geht. Schon das erste Schaubild war sehr aufschlussreich.
Keine Knochen sondern Knorpel
Es zeigte, dass ungeborene Kinder noch keine richtigen Knochen haben, sondern Knorpel, in denen sich sogenannte Knochenkerne bilden, die auf die Wachstumszonen an den Knochenenden einwirken. An verschiedenen Röntgenbildern von Händen ließ sich dann gut erkennen, ob man noch wächst oder ob das Wachstum abgeschlossen ist: Bei den Händen von Menschen, die sich noch im Wachstum befinden, sind zwischen den einzelnen Fingergliedern deutlich Fugen zu erkennen, die in der Form kleiner Säulen aus Knorpel bestehen. Diese sorgen bei der Entwicklung dafür, dass die Knochen weiter auseinandergeschoben werden. Damit werden aus Fingerchen Finger und aus Händchen Hände. Damit dieser Prozess auch richtig funktioniert, bedarf es einer Steuerung durch die Hirnanhangdrüse, die man auch als „Hypophyse“ bezeichnet. Sie stellt das Wachstumshormon her. Über das Blut gelangt das Wachstumshormon von der Hirnanhangsdrüse zu den Wachstumsfugen, um dort wirksam zu werden. Ist dieser Prozess in irgendeiner Weise gestört, kann Wachstum nicht weiter erfolgen. Alle im Saal staunten nicht schlecht, als sich bei der Besprechung dieses Themas ein junger Veranstaltungsteilnehmer zu Wort meldete und berichtete, dass er mit Hilfe einer Hormontherapie den Verlauf seines Wachstums unterstütze, da seine Hypophyse das benötigte Wachstumshormon nicht ausreichend produziere. Die klaren und offenen Worte des Jungen erzeugten große Aufmerksamkeit und Interesse, denn von einem Moment auf den anderen war damit aus der Theorie gelebte Praxis geworden.
Faustregel für die eigene Größe
Schließlich nahm das Referat die Frage in den Blick, ob sich das individuelle Wachstum eines Kindes prognostizieren lasse, ob man abschätzen könne, welche Körpergröße man als Erwachsener erreicht. Herr Dr. Gritzbach führte dazu genetische Voraussetzungen an, denen zufolge die Kinder von eher kleinen Eltern auch eine eher kleinere Körpergröße erreichen als die Kinder von großgewachsenen Eltern. Er nannte dazu folgende Faustregel: „Größe der Mutter plus Größe des Vaters, geteilt durch 2, ergibt die Größe des Kindes. Misst der Vater 1,80 Meter und die Mutter 1,60 Meter, hat das Kind die Erwartung einer Körpergröße von 1,70 Meter. Jungs schlägt man bei dieser Prognose bis zu 6,5 cm mehr an Wachstum zu, Mädchen hingegen sollen demnach bis zu 6,5 cm weniger Wachstumserwartung weniger aufweisen. Dass es sich bei diesen Zahlenangaben um Erfahrungswerte handelt, die nicht auf den Zentimeter genau stimmen können, beweist allerdings die Tatsache von unterschiedlich großen Schwestern und Brüdern, die der Regel zufolge die gleiche Körpergröße erreichen müssten. Ähnlich kritische und aus der Lebenspraxis gewonnene Fragen und Erklärungsansätze der Kinder machten dem Referenten besonderen Spaß. Nach der Veranstaltung meinte Chefarzt Dr. Gritzbach „Einige Beiträge der Kinder waren zwar im Ergebnis nicht richtig, aber so phantasievoll, kreativ und logisch durchdacht und aufgebaut, dass man sie hätte sammeln sollen; vielleicht für ein Buchprojekt ‚Highligts der Kinderhochschule Medizin Buchen und Mosbach’. Mich jedenfalls hat dieses ungezwungene Probieren und gedankliche Experimentieren der Kinder begeistert. Wenn sie sich davon viel erhalten, finden sie bestimmt einen guten Weg ins Leben.“
Was braucht man, um gut wachsen zu können?
Am Ende des Vortrags durfte natürlich die Frage nicht fehlen, was man braucht und selbst dazu tun kann, um das eigene Wachstum in die richtigen Bahnen zu führen. An erster Stelle nannte Dr. Gritzbach diesbezüglich „gesundes Essen in ausreichender Menge“. Er erwähnte dabei die sogenannte Ernährungspyramide, die folgende, von Ernährungsexperten aufgestellten Ratschläge ins Bild rückt: „Den breiten Sockel dieser Pyramide, also das, was am meisten aufgenommen werden soll, bilden ungesüßte Getränke, vor allem Wasser und Mineralwasser. Darauf folgt die nächste, ebenfalls sehr breite Stufe des Sockels, die aus Getreideprodukten, wie zum Beispiel Brot, Kartoffeln, Nudeln oder Hülsenfrüchten, besteht. Zu den Sockelstufen der Pyramide gehört auch der Ernährungsanteil, der aus Obst und Gemüse besteht. Das mittlere Segment besteht aus Fisch sowie Milch- und Milchprodukten. Fast an der Spitze der Pyramide befinden sich dann Fleisch und Eier, die man schon deutlich weniger konsumieren sollte. Und ganz oben an der Spitze, dem Bereich, der den geringsten Anteil unserer Ernährung ausmachen sollte, stehen tierische Fette und Süßig-keiten. „Wer sich an dieser Pyramide orientiert, tut viel für gesundes Wachstum und für seine Gesundheit überhaupt.“ So schloss Dr. Gritzbach seinen Vortrag und damit auch die diesjährige Kinderhochschule Medizin. Der kurze Kommentar zur 6. Auflage der beliebten Veranstaltungsreihe der Neckar-Oden-wald-Kliniken, auf den sich die Referenten, die teilnehmenden Kinder und deren Eltern einigten: „Es war wieder toll!“
Der Referent
Dr. med. Bernd Gritzbach ist seit 01.05.2013 Chefarzt der Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Wirbelsäulenchirurgie an den Neckar-Odenwald-Kliniken gGmbH. Zu seinen Spezialgebieten, über die er in Fachmedien auch publiziert, gehört die Traumatologie im Kindes- und Jugendalter. Für Dr. Gritzbach war es deshalb naheliegend, sich als Referent an der Kinderhochschule Medizin zu beteiligen.
https://www.neckar-odenwald-kliniken.de/aktuelles/aktuelle-mitteilungen/163-die-kinderhochschule-medizin-gehoert-einfach-dazu.html#sigProIda0f8099a97